: Die Strassengeschichte des Kantons Bern vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. . Bern 2011 : Tiefbauamt des Kantons Bern, ISBN 978-3-9523914-0-2

: 100 Jahre Tiefbauamt des Kantons Bern 1912 – 2012. Eine Chronik zur Entwicklung des Strassen- und Wasserbaus im Kanton Bern. Bern 2012 : Tiefbauamt des Kantons Bern, ISBN 978-3-9523914-1-9 86 S.

von
Daniel Flückiger

Verkehr und Mobilität sind für den Alltag in unserer Gesellschaft prägend. In der schweizerischen Geschichtswissenschaft erhält dieses Thema erst seit zwanzig Jahren etwas mehr Aufmerksamkeit. Zum 100-Jahre-Jubiläum des Tiefbauamts des Kantons Bern 2012 hat sich das Tiefbauamt für zwei Publikationen entschieden: Eine Geschichte des Tiefbauamts, geschrieben durch einen geschichtlich interessierten Mitarbeiter (Kurt Uttendoppler), und eine umfassende Strassengeschichte des Kantons Bern vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart, geschrieben durch eine Historikerin und einen Historiker (Erika Flückiger Strebel und Hans-Ulrich Schiedt, Via Storia, Zentrum für Verkehrsgeschichte). Die inhaltliche Abgrenzung ist allerdings fliessend, weil einerseits Uttendoppler weit ins 19. Jahrhundert zurückblickt und sich andererseits Flückiger Strebel und Schiedt hauptsächlich auf Bestände des Staatsarchivs abstützen, d.h. auf Quellen des Tiefbauamts und seiner Vorgänger.

Flückiger Strebel und Schiedt unterscheiden in einem ersten inhaltlichen Kapitel zwölf Phasen der bernischen Strassengeschichte von 1742 bis 2008. Darauf behandeln sie die Geschichte der Berner Strassen von 1742 bis 1831, die Neuorganisation des Strassenwesens nach 1830 und die Entwicklung des bernischen Strassenbaus im 19. Jahrhundert in Zahlen. Darauf folgt ein Kapitel über den Strassenbau bis zum Ersten Weltkrieg, in dem die technische Entwicklung im Mittelpunkt steht: Hilfsmittel wie Dampfwalzen, Steinbrecher und die ersten Teerungen veränderten den Strassenbau, auch wenn er harte Arbeit blieb. Es folgt ein Kapitel über die Fahrzeugbestände und Strassenausgaben im 20. Jahrhundert und eines über die Zwischenkriegszeit, in dem die Organisation des Tiefbauamts, die autogerechte Strasse und die Finanzierung des Strassenbaus behandelt werden. Im letzten Kapitel über die Nachkriegszeit geht es schliesslich um den Hauptstrassen- und Autobahnbau im Zeitalter der Massenmotorisierung und um verkehrsplanerische Leitbilder bis hin zur «umweltpolitischen Wende» ab den 1970er-Jahren.

Uttendoppler behandelt den Tiefbau und die Bauverwaltung im 19. Jahrhundert, den Strassenbau im 20. / 21. Jahrhundert, die Autobahn-Ära, den Unterhalt der Kantonsstrassen und Wasserbauten, die Ausbildung des Personals vom frühen 19. Jahrhundert bis heute, die Herausforderungen des «heimlichen Riesen» Wasserbau, die organisatorische Entwicklung des Tiefbauamts und die Zusammensetzung, die Arbeits- und Anstellungssituation des Personals.

Flückiger Strebel und Schiedt fassen die wichtigsten Entwicklungen im bernischen Strassenbau – Verwaltung, Finanzierung, Technik, Arbeitsbedingungen, Verkehr – in 270 Jahren auf 100 Seiten kompetent zusammen und ergänzen den bestehenden Forschungsstand vielerorts mit eigenen Quellenanalysen. Uttendoppler gelingt es, eigene Erfahrungen mit solider Literatur- und Quellenauswertung zu verbinden. Beide Titel überzeugen besonders durch die vielfältige Form der ausgewählten Quellen: Texte, Karten, technische und künstlerische Zeichnungen, Artefakte und schliesslich viele treffende Fotografien vermitteln ein anschauliches Bild des Strassenbaus und der Strassenverwaltung in den letzten drei Jahrhunderten.

Zwei Kritikpunkte, von denen der erste auch als Desiderat aufgefasst werden kann: 1. Die Strassen und Wege auf Gemeindeebene bleiben auch nach dieser Strassengeschichte des Kantons Bern unerforscht, obwohl selbst heute noch über 90 Prozent der bernischen Strassen im Gemeindeeigentum sind. 1

2. Der Begriff der «umweltpolitischen Wende» scheint mir für den Verkehr etwas hoch gegriffen. Das liegt nicht am Tiefbauamt, das mit dem «Berner Modell» zweifellos neue Wege eingeschlagen hat, sondern am Umfeld. Der Verbrauch fossiler Treibstoffe wächst in der Schweiz nämlich nach wie vor2 und bis jetzt (13. Februar 2015) ist keine Trendwende absehbar.

Diese Bemerkungen ändern nichts am positiven Gesamtfazit über die beiden vorgestellten Titel: Wer sich für die bernische Strassengeschichte interessiert, dem sei die Publikation von Flückiger Strebel und Schiedt für den Einstieg und teilweise auch weiterführende Informationen wärmstens empfohlen. Und wer sich mit der bernischen Strassenverwaltung im 20. Jahrhundert auseinandersetzt, der oder die sollte der Arbeit von Uttendoppler Beachtung schenken.

1 Tiefbauamt des Kantons Bern, Jahresbericht 2013. Bern 2013, 17.
2 Bundesamt für Energie, Überblick über den Energieverbrauch der Schweiz im Jahr 2013. Bern 2014, 8.

Zitierweise:
Daniel Flückiger: Flückiger Strebel, Erika; Schiedt, Hans-Ulrich: Die Strassengeschichte des Kantons Bern vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Bern: Via Storia 2011. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 77 Nr. 2, 2015, S. 57-58.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 77 Nr. 2, 2015, S. 57-58.

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